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„Die Gegenwart überfunkelt alles, was man nur sagen könnte.“

Eduard Mörike

Was ist nicht schon alles über Eduard Mörike, den Namensgeber des Neuenstadter Gymnasiums, geschrieben worden.

Allein im Mörike-Jahr 2004, seinem 200. Geburtstag, erschienen ein gutes Dutzend Biografien, die sein bewegtes Leben dokumentieren; und wenn man deren Untertitel liest, spürt man bereits, aus wie vielen Facetten sein Leben wohl bestanden hat:

Pfarrer und Poet – Dichter der Nacht –  Ein Leben auf der Flucht –  Die gestörte Idylle – Reines Gold der Phantasie – Eduard Mörikes Kunst der schönen Täuschung

Der am 8. September 1804 in Ludwigsburg geborene Arztsohn war nicht als Wunderkind auf die Welt gekommen. Als Vorbild für gute Schüler kann er gewiss nicht herhalten. Das Landexamen hatte er nicht geschafft, kam aber auf dem Gnadenwege nach Urach ins „Niedere theologische Seminar”, wo er auch nicht gerade durch besondere Leistungen auffiel, im Gegenteil, sein Fleiß war „nicht zweckmäßig genug”, seine Leistungen in alten Sprachen „sehr mittelmäßig“ und „die Mathematik blieb ihm gänzlich verschlossen.”

Wohl wurde „seine Deklamation als gut und gefällig” gerühmt und ihm in der deutschen Versdichtung eine besondere „Erfindungsgewandtheit” zuerkannt. Doch insgesamt war Mörike eher ein mäßiger Schüler, einer, der auch schon mal „wegen betrüglich gelieferter Versifikation” (d.h. wegen Abschreibens) einen Eintrag im Strafbuch des Uracher Seminars erhielt.

Wir wissen, dass er beim späteren Theologiestudium in Tübingen auch nicht mit besonderem Fleiß glänzte, doch hat er seine Studentenzeit wohl genossen und zahlreiche Freundschaften geschlossen, von denen einige sein ganzes Leben anhielten.Im Herbst 1826 trat Mörike nach geschafftem Examen als Vikar in den Kirchendienst ein. Doch er liebte seinen Beruf nicht. Mehrmals hat er das in Briefen an seine Freunde zum Ausdruck gebracht.

Nach acht Jahren als Vikar in zehn zumeist kleineren Gemeinden in Württemberg erhielt er im Juli 1834 endlich eine eigene Pfarrstelle in Cleversulzbach. Die Amtspflichten als Pfarrer, zu denen damals auch die Schulaufsicht, Ortsordnung, Führung von Geburts-, Heirats- und Sterberegistern zählten, waren wie schon gesagt nicht Mörikes besondere Stärke. Stattdessen gefiel es ihm, im großen Pfarrgarten zu wandeln, zu sinnieren und unter dem grünen Schirm seinen eigenen Grillen zu verfallen. Und diesem Teil Eduard Mörikes haben wir seine vielen wunderschönen Gedichte, Novellen und Romane zu verdanken, die ihn zu einem der bedeutendsten Lyriker der Schwäbischen Schule machten und zeigen, dass, wie so oft, auch ein weniger guter Schüler es im Leben zu etwas bringen kann.

Nicht lange will ich meine Wünsche wählen,
bescheiden wünsch ich zweierlei:
Noch fünfzig solcher Tage sollst du zählen,
und allemal sei ich dabei.

Eduard Mörike

Widmungsgedicht (1838):
Ist’s der Dichter,
Ist’s der Richter,
Ist’s der leichtbestochne Freund,
dem ich diese Lieder schenke? –
Wenn ich es genau bedenke,
Sind sie alle drei gemeint.
Der Deinige E. Mörike

Der rastlose Poet fand am 4. Juni 1875 in Stuttgart seine letzte Ruhe und wurde auf dem dortigen Pragfriedhof beigesetzt.

Eduard Mörike wäre lieber Arzt, wie sein Vater, geworden, doch sein Vater hat das nicht gewünscht. Der Pfarrberuf war ihm zuwider; aber wäre er ein besserer Arzt und gleichzeitig ein so begnadeter Dichter geworden? Vielleicht würde uns so manches seiner schönen Gedichte fehlen.

 

 

Text von Rudolf Schwan
Cleversulzbach

Aus: Festschrift zum 10-jährigen Jubiläum als Vollgymnasium 2011